p98a ist eine experimentelle ­Letterpress-Werkstatt in Berlin für den Umgang mit Buchstaben, Drucken und Papier. Wir sind Gestalter aus unterschiedlichen Disziplinen und unter­suchen, wie der traditionelle Buchdruck im 21. Jahrhundert neu definiert werden kann. Wir drucken, recherchieren, sammeln, veröffentlichen und stellen Dinge her. Das machen wir mit unseren Blei- und Holzschriften, etlichen  Andruckpressen, einem Simplex Trettiegel und anderen ­analogen Gerät­schaften, die wir mit digitalen  Techniken wie Risograph und Glowforge-Laser  kombinieren.

Mission

Die künstliche Denkmaschine ist da. Sie verspricht – oder droht – einen Teil unserer Arbeit zu übernehmen.

Die KI hat Phantastillionen von Bildern, Wörtern und Fakten gesammelt/zusammengerafft/gestohlen. Aber sie ist nicht in der Lage, unsere Erfahrungen zu sammeln – die Dinge, die wir wissen, ohne sie jemals gesagt, gelesen oder geschrieben oder Bilder davon gezeichnet oder fotografiert zu haben. Unsere kognitiven Fähigkeiten sind in Tausenden von Jahren gewachsen. Nun laufen wir Gefahr, sie zu verlieren, weil wir nur noch über Glasscheiben wischen und eine sofortige Lösung aller unserer Probleme erwarten. Doch etwas fehlt: Zwar sehen wir die Welt mit den Augen, lesen Fakten und schicken Kurznachrichten über den Globus, aber wirklich „begreifen“ wir die Dinge immer noch mit unseren Händen. So lernen Babys: Sie fassen etwas an und finden heraus, ob es hart, weich, angenehm oder unbrauchbar ist.

Unsere Letterpress-Werkstatt bringt diese Erfahrung zurück: Dinge sind dort Dinge, keine Bilder von Dingen. Farbe riecht und klebt an den Fingern. Papier sieht anders aus und fühlt sich anders an, je nachdem, wie man es hält, faltet oder reißt. Maschinen brauchen Öl und Fett, wie wir die Luft zum atmen. Buchstaben sind auch Gegenstände – aus Metall, Holz, Plastik. Sie sind schön, aber sie bedeuten nichts, bis wir sie zu Wörtern, Sätzen, Spalten und Seiten fügen. Gib Farbe und Papier hinzu, dreh die Kurbel und schon hast du Inhalt – content! – hergestellt.

In unserer Werkstatt dauert alles etwas länger und es gibt keinen Befehl-Z. Wir brauchen keine Milliarden von Farben oder 150.000 Fonts. Stattdessen haben wir Schriften aus Blei und Holz, die 100 Jahre alt sind und die man anfassen kann. Neue Buchstaben stellen wir selbst her, mit dem Laser oder der CNC-Fräse. Wir schicken Daten vom Computer direkt auf unseren Heidelberger Zylinder von 1954 und drucken Bücher – das hätte Gutenberg vor 600 Jahren auch gerne so gemacht.

Es gibt richtige Museen, die Gutenbergs Erbe gewidmet sind, wenn auch mit Absperrungen vor den Maschinen und Geräten. Statt solche Denkmäler vergangener Technik zu zelebrieren, laden wir bei Hacking Gutenberg ausdrücklich zum Anfassen ein: Die Schriften warten auf unsere Hände, Andruck- und Tiegelpressen sind bereit zum Druck.

Die alten Maschinen sind unverwüstlich und werden uns überleben. Aber das Wissen über den Umgang mit ihnen verschwindet, wir müssen es bewahren. Erhalt durch Produktion ist das Motto: Solange wir mit ihnen arbeiten, bleiben sie erhalten. In einem Museum stehen sie nur rum.

P98A Studio
Unsere Andruckpressen in voller Pracht.
Simplex Bw
Der Simplex Tiegel.
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Studenten des TypeMedia Kurses aus Den Haag zu Besuch in der Werkstatt.

Workshops

Eine der Freuden beim Betreiben einer Buchdruckwerkstatt ist es, die Erfahrungen mit anderen zu teilen. Bei Hacking Gutenberg bieten wir Workshops für eine Gruppe von Einzelpersonen oder für ganze Teams an. 

Die Workshops beginnen mit einer kurzen Einführung in den Buchdruck und mit einem Überblick der verschiedenen Druckverfahren und des typografischen Maßsystems. Danach folgt ein Rundgang durch die Räume. Die Teilnehmer machen sich mit unseren schönsten Holzlettern vertraut und lernen die Druckmaschinen und einige ihrer technischen Details kennen, so dass sie am Ende des Tages in der Lage sind, sie selbst zu bedienen. Anschließend zeigen wir, wie drucken bei uns geht. Wir erklären den Aufbau der Andruckpresse und wie man eine Druckform baut und schließt.

In Dreier- oder Vierergruppen lernen die Teilnehmer, wie man ein Seite setzt und aufbaut, die sie dann in einer kleinen Auflage drucken. Wir ermutigen die Teilnehmer, vor dem Workshop Ideen für Zitate oder kurze Sätze zu entwickeln, die sie gerne drucken würden. Es vorkommen, dass ein Text nicht ganz passt, weil wir nicht alle Schriften in allen Größen haben und weil mitunter auch einige Buchstaben fehlen – zum Beispiel verfügen deutsche Schriften nie über genügend y um englische Texte zu setzen. Also heißt es: Text ändern! Die Erfahrung des Umgangs mit beschränkten Mitteln sehen wir als einen wesentlichen Vorteil unserer Arbeit. Millionen Farben und alle Fonts der Welt gibt es hier nicht. Viele der besten Ideen entstehen, wenn man mit dem arbeiten muss, was zur Verfügung steht.

Der Workshop endet mit dem Aufräumen des Materials, das wir im Laufe des Tages durcheinander gebracht haben. Regletten, Quadraten und anderes Blindmaterial wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen, Buchstaben zu sortieren und dem richtigen Setzkasten zuzuordnen und die Druckwalzen von Farbresten zu reinigen, ist eine Aufgabe, die genauso wichtig ist wie das Entwerfen und Drucken

Buche deinen Workshop hier →

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Alexander (rechts), gelernter Schriftsetzer, unterstützt uns gelegentlich bei Workshops
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Jannis (rechts) kennt unsere Katalog an Holzschriften auswendig, weil er selbst viele Seiten davon angedruckt hat.
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Unser Lieblingsbuchstabe ist das ß in 48 Punkt Erbar ­Grotesk halbfett, von Jakob Erbar, gegossen bei Ludwig & Mayer in 1927.

Collection → Wir haben mehr als 500 Kästen mit Plakatschriften aus Holz und anderen Materialien, die von 8 bis 60 Cicero reichen, und etwa 450 Kästen mit Bleischriften von 6 bis 96 Punkt. Lehren zum Messen der Walzenhöhe und Schriftgrößen sowie der Papierstärke sind Werkzeuge, die wir täglich benutzen. Außerdem haben wir Schriftproben und eine große Sammlung alter und neuer Bücher über Druck, Satz und Typografie.

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Schrifthöhenmessgerät
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Gummidrucktuchspezialdickenmesser
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Walzensteller „Greif“ alias Walzengreif

Post-digital printing →Wir belichten Polymerplatten, schneiden großformatige Schriften aus digitalen Daten, fräsen Stempel zur Herstellung von Matrizen für den Guss neuer Bleischriften und werden Plakatschriften in 3D drucken, sobald die Materialien erschwinglich werden. Wir haben ein Direct-to-Plate-Verfahren entwickelt zur Ausgabe digitaler Platten für den Buchdruck auf einem Heidelberger Zylinder 50×70 von 1954 und einer riesigen (130×96 cm) Johannisberger-Stoppzylinderpresse von 1924. 


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Daniel prüft einen Druckbogen während des Drucks eines Bandes aus der Suhrkamp Letterpress Edition.
180219 P98A Suhrkamp Letterpress

Suhrkamp Letterpress versucht nicht, einen bibliophilen Markt zu bedienen. Unser Ziel ist es, Literatur zu produzieren, die über die Freude am Lesen hinausgeht und auch andere Sinne befriedigt. Viele Gewerke sind notwendig, um ein Buch herzustellen. Ein Buch ist erst dann ein Buch, wenn es ein Buch geworden ist.

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Raymond Queneau: ‘Stilübungen’ → Für diesen Text haben wir vorwiegend französische Schriften ausgewählt. Roger Excoffons ­‘Banco’ scheint angemessen.
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Ludwig Wittgenstein: ‘Tractatus logico-­philosophicus’ → Gesetzt in Questa (Sans & Serif), eine Schriftfamilie von Jos Buivenga und Martin Majoor

Wir haben uns vor einiger Zeit mit TOC The Other Collection. zusammengetan.

TOC ist das Ergebnis unserer Überzeugung, dass wichtige Literatur Bücher verdient, die aus den besten Materialien und mit den anspruchsvollsten Drucktechniken hergestellt werden. In einer Zeit, in der die meisten Lektüren zu einer flüchtigen Erfahrung geworden sind, wollen wir einen dauerhaften Platz für wichtige Gedanken und Ideen schaffen, indem wir sie in schön gedruckten Büchern unterbringen. Unsere Bücher – in einem gut sortierten Bücherregal platziert – werden ein ruhiger Ort im heutigen Informationspandämonium sein. Aber wir werden auch Bücher auswählen, die den lebendigen Dialog mit anderen Lesern anregen. TOC konzentriert sich auf zeitgenössische Literatur, auf Bücher, die den Kanon der Zukunft bilden werden.

Die Bücher werden in limitierter Auflage gedruckt, signiert und nummeriert - individuell gestaltet, dem jeweiligen Text angemessen.

Bei TOC verbinden wir die Errungenschaften zeitgenössischer Typografie mit der Qualität und dem Handwerk des jahrhundertealten Buchdrucks. Der klassische Buchdruck bietet zwar ein angenehmes analoges Leseerlebnis, ist aber aufgrund seiner Beschränkungen, vor allem der hohen Kosten für den traditionellen Bleisatz, für die moderne Buchproduktion bislang unerschwinglich. Indem wir die digitalen Layouts mit unserem hauseigenen Laser direkt vom Computer auf Polymerplatten übertragen und die Druckqualität Schritt für Schritt auf unserem Heidelberger Zylinder verbessern, kombinieren wir die Vorzüge analoger und digitaler Verfahren. Das Ergebnis ist das Beste aus beiden Welten: raffinierte digitale Typografie und ein angenehmes analoges Leseerlebnis


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TOC Bücher nehmen den englischen Ausdruck „Book Jacket“ wörtlich. Jeder Schutzumschlag zitiert ein Stoffmuster, das sich aus dem Inhalt ergibt.
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Auch Letterpress Druck gibt es in mehr Farben als Schwarz.
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Auf den letzten Seiten jedes TOC Buches schreiben wir über die Gründe für die Auswahl des Textes und seine Gestaltung.

Publishing → Unsere Zeitschrift P98a PAPER ist eine Sammlung von Geschichten, Meinungen und Illustrationen von Menschen, die wir kennen und deren Arbeit wir mögen. Die ersten Bände des Projekts wurden mit einem Risograph gedruckt, einem „digitalen Siebdrucker“, der für kleine Publikationen mit Sonderfarben verwendet wird. Mit PAPER erforschen wir verschiedene Drucktechniken: klassischer Buchdruck, Offsetdruck, postdigitaler Buchdruck und Digitaldruck. Kaufen Sie PAPER hier:


181008 P98A Broschüre Paper
Eine Sammlung von Geschichten, Meinungen und Illustrationen von Menschen, die wir kennen und deren Arbeit wir mögen. P98a Paper erforscht unterschiedliche Drucktechniken.

Material → Wir experimentieren mit verschiendenen Materialien und Methoden zur Herstellung unserer eigenen Plakatschriften. Wir haben Plexiglas ausprobiert, 3D-Druck, Aluminium und Fräsen aus hartem Holz. Das gute alte Resopal, das wir noch von Küchentischen kennen, scheint erfolgversprechend. Das größte Problem ist es, die Buchstaben exakt auf die Schrifthöhe von 23,56mm zu bringen, denn im Druck zeigen sich selbst Abweichungen von einem Hundertstel Millimeter.

181008 P98A Broschüre Buchstaben
[1] 20 cic Akzidenz Grotesk halbfett → Plakadur ist ein Kunstharz, das die Schriftgießerei Berthold seit den 1930ern verwendet; [2] 20 cic FF Real Book → Resopal auf Sperrholz; [3] 16 cic FF Real Book → Plexi auf Sperrholz; [4] 16 cic FF Real Book → gefräst aus Ahorn; [5] 8 cic Akzidenz Grotesk Fett → 3D gedruckt; [6] 60 point “AG” Halbfett → Bleiguss
20190205 165505 P98A Krautreporter Repros Np
Großes Zeitungsformat 136×88cm, mit p98a bei Die Lettertypen gedruckt.
Orbit
Erik und Lilith drucken das Plakat „Orbit“ für einen Auftraggeber.
Paper Susanna Rick
Susanna und reisender Druckerfreund Rick drucken Umschläge für Paper #05.
P98A Calendar
Einige unserer Lieblingsschriften: Akzidenz Grotesk, HWT Artz, Signal, Fanfare, Fat Face, Reporter, Bernhard Fraktur
Tipoteca Italiana 2019 68 Copy
Andruck von italienischer Plakatschrift während unseres Besuches bei Tipoteca Italiana in Cornuda im Mai 2019.

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